Rez.: Peter Michel: Ankunft in der Freiheit – Essays gegen den Werteverlust der Zeit
von Heike Friauf
junge Welt vom 21.05.2011: „Wie die deutsche Teilung beim Anschluß der DDR 1989/90 gefestigt wurde, davon handeln die Essays des Kulturwissenschaftlers Peter Michel. Er analysiert gesellschaftliche Entwicklungen, die zu wenig beachtet werden, jedenfalls von denjenigen, die Kunst lediglich als hübsche Oberfläche der Verhältnisse ansehen. Tatsächlich können kulturelle Vorgänge als scharfer Seismograph für die politische Lage dienen – und als Kompaß dafür, wo die Reise noch hingehen könnte.
In seinem neuen Buch »Ankunft in der Freiheit« zieht Michel die Gräben nach, die durch ahnungslosen oder bewußt geschichtsverfälschenden Umgang mit dem kulturellen Erbe der DDR entstanden sind. Der frühere Chefredakteur des Fachorgans Bildende Kunst berichtet als kundiger Zeitzeuge über den abwertenden bis diffamierenden Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern aus der DDR, etwa in der gesamtdeutschen Ausstellung »Deutschlandbilder« 1997 in Berlin, in der Skandalausstellung von Weimar 1999 oder beim Streit um die Aufnahme von Künstlern der DDR in die Gestaltung des Berliner Reichstags. Er schöpft aus einem großen Archiv an Künstlernamen und -zitaten, verfolgt zwei spannungsreiche Jahrzehnte gesamtdeutscher Kunstrezeption und sieht nicht nur schwarz. So weist er auch auf wichtige Ausstellungen ostdeutscher Künstler in der Städtischen Galerie Eisenhüttenstadt hin oder das »Dokumentationszentrum Kunst der DDR« auf Burg Beeskow.
Von besonderer Bedeutung ist Peter Michels Arbeit zur Demontage und Zerstörung von Kunstwerken (unter Berufung auf den Althistoriker Alexander Demandt schreibt er von »Vandalismus«, was nicht unproblematisch ist). Der Leipziger Studentenrat schrieb 2006 zur Entfernung eines großen Bronzereliefs vom Hauptgebäude der Universität: »Wie im Abriß des Palastes der Republik in Berlin manifestiert sich in der Entfernung des Reliefs die Angst vor dem reichen kulturellen Erbe der DDR«. Welche Motive außer dieser Angst bei der Entsorgung eine Rolle spielen, muß genauer diskutiert werden, als es in Michels knappen Essays möglich ist. Ohne Zweifel aber wurden und werden seit 1989 Wandbilder, Skulpturen, Gemälde in großer Zahl um die Ecke gebracht, deren einziger Makel darin liegt, daß sie in der DDR entstanden sind. Stellvertretend sei das Werk des international geachteten Metallgestalters Fritz Kühn genannt, das sein Sohn Achim Kühn fortsetzt. Wenn Michel richtig gezählt hat, sind bis heute 56 Werke und Werkgruppen dieser beiden Künstler verlorengegangen.“ weiterlesen